Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition) by Christiane V. Felscherinow & Sonja Vukovic

Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition) by Christiane V. Felscherinow & Sonja Vukovic

Autor:Christiane V. Felscherinow & Sonja Vukovic [Felscherinow, Christiane V.]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
ISBN: 9783943737141
Herausgeber: Deutscher Levante Verlag
veröffentlicht: 2013-10-09T22:00:00+00:00


Das zweite Leben

6

Hätte Angela Merkel mich gefragt! Ich könnte ihr interessante Geschichten über die Griechen erzählen. Von Dörfern, die offiziell gar nicht existieren, von Häusern, die nirgendwo eingetragen und die, an der Steuer vorbeigebaut, lukrative Renditeobjekte für die Hellenen sind. Ich hätte mit ihr eine „Griechisch für Geldgeber“-Reise über die Inseln machen und ihr überall Restaurants, Hotels, Bars und Clubs zeigen können, die offiziell soziale Einrichtungen sind und mit EU-Geldern subventioniert werden; Familien vorgestellt, die ihr ganzes Vermögen in der Schweiz oder in deutschen Immobilien vor der Steuerfahndung versteckt haben; und Ärzte, die sich mit illegalen Abtreibungen eine goldene Nase verdienten. Ich habe keine Ahnung, wie wichtig das griechische Finanzsystem für Europa ist – aber hätte Angela Merkel mich 2009 gefragt, ich hätte ihr gleich sagen können, dass wir von dem Geld, das wir den Griechen gerade leihen, nie etwas zurückbekommen.

Das bedeutet nicht, dass ich es denen nicht gönne. Die Griechenlandkrise ist eine Folge der Freiheit, die das Volk lebt. Die Freiheit von Vorurteilen und gesellschaftlichen Zwängen. Mir hat das sehr viel gegeben, so leben zu dürfen. Deshalb freue ich mich, wenn meine zweite Heimat Hilfe bekommt. Aber klar ist auch: Betrug und Korruption waren schon immer Disziplinen, in denen die Griechen penible Sorgfalt und Ernsthaftigkeit an den Tag legten. Man kann dort ein sehr schönes Leben haben, wenn man das beherzigt und die Spielregeln beherrscht. Für ein bisschen Extra-Geld erhält man extra guten Service. Im Gegenzug bekommst du quasi an jeder Ecke von ein paar gut gelaunten, offenen und freundlichen griechischen Barbesitzern ein paar Bier aufs Haus. So rechnet sich das, man muss eben nur wissen, wie das läuft.

Ich glaube, Griechenland war eines der letzten europäischen Länder, die Abtreibung legalisiert haben, Ende der Achtzigerjahre muss das irgendwann gewesen sein, kurz bevor ich dort lebte. Maria hat mir damals, als ich von Panagiotis schwanger war, erzählt, dass Abtreibungen lange ein riesiges, illegales Business waren. Frauen aus ganz Europa sind jahrzehntelang nach Griechenland gereist, um abzutreiben, weil die Eingriffe dort einfach und billig zu haben waren. Rund 200 Mark hat das nur gekostet – natürlich an der Steuer vorbei. Ein bekannter Arzt erzählte Panagiotis und mir, dass er bis zu 100.000 Mark im Jahr nur durch Abtreibungen verdient hat. Griechenland hatte damals die weitaus höchste Abbruchrate in ganz Europa, dieser Freund sprach von mehr als einer halben Million pro Jahr.

Was für eine erschreckend hohe Zahl! Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie sehr einen das mitnimmt. Sein eigenes Kind zu töten ist ein wirklich gewaltsamer Akt, der nicht spurlos an dir als Mutter und auch nicht am Vater vorbeigeht. Viele Beziehungen brechen nach so einem Eingriff auseinander, denn wenn man sich entscheidet, gemeinsam keine Verantwortung übernehmen zu wollen und ein Kind nicht zusammen großziehen zu können, dann wird einem dadurch meist auch bewusst, dass das, was man hat, nicht für die Ewigkeit ist. Dass etwas fehlt, um wirklich aneinander zu glauben. Das tut sehr weh.

Es ist wirklich erschreckend, wie leichtfertig man als junger Mensch mit Verhütung umgeht, und selbst wenn es heute



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